Von Jens Engelhardt, Darmstadt
Abmahnungen
gegen Verstöße im Internet
1 Einleitung
Verlässliche Aufzeichnungen über die Anzahl von Abmahnungen
gegen vermeintliche Rechtsverletzungen im Internet existieren nicht.
Immer wieder wird jedoch die Internet-Gemeinschaft in regelmäßigen
Abständen in Aufruhr durch so genannte Serienabmahnungen
versetzt.
Obwohl nahezu jeder Betreiber einer Internetsite bereits von
Abmahnungen gehört hat, trifft es die meisten völlig
unerwartet und unvorbereitet; auch weil das Instrument der Abmahnung,
ihre Voraussetzungen und Reaktionsmöglichkeiten unbekannt sind.
2 Abmahnung
und einstweilige Verfügung
Eine Abmahnung
ist die Aufforderung, eine (vermeintliche) Rechtsverletzung
zu unterlassen. Dem Abgemahnten wird angezeigt, dass der
Abmahnende das Verhalten des Abgemahnten als rechtswidrig erachtet.
Ziel der
Abmahnung ist in erster Linie, dass der Abgemahnte sein
(rechtsverletzendes) Verhalten sofort unterlässt und eine
Wiederholungsgefahr beseitigt wird. Hinzukommen kann noch ein
Auskunftsverlangen über die näheren Umstände und dem
Umfang des geltend gemachten Verstoßes.
In zweiter Linie
soll die Abmahnung den Erlass einer einstweiligen Verfügung
vorbereiten. Hat der Abgemahnte auf die Abmahnung nicht reagiert, ist
in der Regel die Dringlichkeit der Angelegenheit und die Gefahr der
Wiederholung der Verletzungshandlung und damit der Verfügungsgrund
für das Gericht belegt. In dem Verfügungsverfahren wird
regelmäßig nur der Abmahnende, nicht aber der Abgemahnte
vom Gericht rechtlich gehört. Bei der Prüfung des
Verfügungsanspruches, also ob eine rechtswidrige
Verletzungshandlung vom Abgemahnten erfolgte, stützt sich das
Gericht daher nur auf die Sachverhaltsschilderung des Abmahnenden.
Das Risiko für den Abgemahnten mit einer einstweilige Verfügung
belegt zu werden ist daher auch dann sehr groß, wenn er auf
eine (vermeintlich) ungerechtfertigte Abmahnung nicht oder nicht
adäquat reagiert.
Soweit die
Abmahnung gerechtfertigt ist, hat der Abgemahnte durch sein
Nichtreagieren zudem Anlass zur Beantragung der einstweiligen
Verfügung gegeben. Er könnte den Anspruch des Abmahnenden
zwar noch anerkennen; die Kosten des Verfahrens hätte er aber
dennoch zu tragen.
3 Abmahngründe
Abgemahnt werden kann dort, wo das Gesetz dem Verletzten ein
Unterlassungsanspruch zuerkennt. Im Internet werden insbesondere
folgende Verstöße abgemahnt:
Markenrechtsverletzungen (§§ 14 – 19 MarkenG)
durch Domain-Namen, Links.
Urheberrechtsverletzungen (§§ 97 – 105 UrhG)
durch Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte.
Verstöße gegen Patenrechte (§§ 139 -142a
PatG)
und Geschmacksmuster (§14a GeschmacksmusterG).
Unmittelbare Verstöße
gegen Normen des UWG: z.B. wegen Vergleichender Werbung (§ 2
UWG), Irreführenden Angaben (§ 3 UWG).
Bei
Verstößen gegen andere (Schutz-)Vorschriften (z.B. §
284 StGB,
Verbraucherschutzvorschriften)
in Verbindung § 1 UWG wegen Erlangung eines sittenwidrigen
„Vorsprungs durch Rechtsbruch“.
4 Formelle Voraussetzungen
4.1 Form
Die Abmahnung ist eine formlose Rechtshandlung, d. h. sie kann
mündlich, fernmündlich, schriftlich per Fax, per Post oder
auch per E-Mail erfolgen. Der Abmahnende hat grundsätzlich nur
die Absendung, nicht aber den Zugang der Abmahnung zu beweisen. Das
Risiko des Zugangs trägt also der Empfänger.
Das bedeutet für den Abgemahnten: Er hat in der Regel die Kosten
des Verfügungsverfahren zu tragen, wenn der Abmahnende die
Absendung der Abmahnung belegen kann oder diese eidesstattlich
versichert. Der Abgemahnte kann dem nur dadurch entgehen, indem er
den Nichtzugang beweist!
4.2
Anforderungen an die Bestandteile einer Abmahnung
Eine Abmahnung muss eine genaue Schilderung der gerügten
Verletzungshandlung und einen Hinweis auf die einschlägigen
gesetzlichen Regelungen enthalten. Gegen eine unkonkrete
allgemeine Schilderung der Verletzungshandlung kann der Abgemahnte
negative Feststellungsklage erheben.
Die Abmahnung muss unmissverständlich zur Unterlassung
der gerügten Verletzungshandlung und zur Abgabe einer
strafbewehrten Unterlassungs- und (Verpflichtungs)erklärung
auffordern.
Zur Abgabe dieser Erklärung muss eine unmissverständliche
angemessene Frist gesetzt werden. Die Dauer kann je nach
Schwere des gerügten Verstoßen wenige Stunden bis 14 Tage
betragen. Die Fristsetzung muss mit der Androhung der
Einleitung gerichtlicher Schritte bei fruchtlosem Ablauf
verbunden sein.
Häufig
wird die vorgefertigte Verpflichtungserklärung mit einem
Auskunftsverlangen und einer Erklärung zur Übernahme von
Schadensersatz verbunden. Diese Bestandteile sind jedoch nicht
zwingend. D.h. auch mit Streichung dieser Bestandteile wird in der
Regel die für den Erlass einer einstweiligen Verfügung
notwendige Wiederholungsgefahr beseitigt. Selbiges gilt für die
Streichung des Verzichts auf die Einrede des
Fortsetzungszusammenhangs.
Des Weiteren enthält die vorgefertigte Unterlassungs- und
Verpflichtungserklärung oftmals die Aufforderung zur Erstattung
der Rechtsverfolgungskosten. Auch sie ist kein notwendiger
Bestandteil der Abmahnung/ Unterlassungs- und
Verpflichtungserklärung.
Anlagen der Abmahnung sind neben der eigentlichen Unterlassungs- und
Verpflichtungserklärung in der Regel die Vollmacht des Mandanten
(nicht notwendig)
und die Kostennote des Anwaltes.
5
Reaktionsmöglichkeiten auf eine Abmahnung
Am Anfang steht für den Abgemahnten die Entscheidung: Abmahnung
akzeptieren oder nicht? Diese Entscheidung muss davon abhängig
gemacht werden, ob der Abgemahnte tatsächlich den Abmahnenden
zurechenbar in seinen Rechten verletzt hat und ob er bejahendenfalls
dafür nach TDG verantwortlich ist.
Akzeptiert der Abgemahnte im Grundsatz die Abmahnung, hat er
die Möglichkeit die Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung
unverändert zu unterzeichnen oder zu modifizieren. Ferner kann
er die Kostennote des Anwalts akzeptieren bzw. teilweise akzeptieren
oder aber die Übernahme von Kosten gänzlich ablehnen.
Soweit die Kostenübernahme (teilweise) abgelehnt wird, droht dem
Abgemahnten, dass er auf Zahlung verklagt wird. Allerdings hat die
Zahlungsklage den Vorteil, dass ihr Streitwert sich nur noch nach der
Kostennote des Anwaltes bemisst. Für die Zahlungsklage ist
regelmäßig das nächste Amtsgericht am Wohnort/Sitz
des Abgemahnten zuständig.
Lehnt der Abgemahnte die Abmahnung ab, kann er eine
Schutzschrift
einreichen und den Erlass einer Einstweiligen Verfügung
abwarten. Ergeht sie, kann er sich nur noch im Hauptsacheverfahren
dagegen zur Wehr setzen.
Alternativ kann der Abgemahnte selbst das Heft des Handelns in
die Hand nehmen und negative Feststellungsklage mit dem Ziel erheben,
das Nichtbestehen des gegen ihn geltend gemachten
Unterlassungsanspruches festzustellen.
In Ausnahmefällen
ist die ursprüngliche Abmahnung nachweisbar
rechtsmissbräuchlich und kann mit einer Gegenabmahnung und einer
Schadensersatzforderung gekontert werden.
6 Modifizierte
Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung
Eine adäquate Reaktionsmöglichkeit bei grundsätzlich
berechtigten, aber inhaltlich zu weit gefassten Abmahnungen, ist die
Abgabe einer angemessen modifizierten Unterlassungs- und
Verpflichtungserklärung. Wobei jedoch darauf hingewiesen werden
muss, dass im Prinzip jede Modifikation das Risiko erhöht,
gleichwohl mit einer einstweiligen Verfügung belegt zu werden.
Entscheidend ist daher, dass auch die modifizierte Erklärung die
Wiederholungsgefahr beseitigt. Dies wird nur bei der ernstlichen
Verpflichtung zur Unterlassung und zur Übernahme einer
erheblichen Vertragsstrafe gegenüber dem Abmahnenden
der Fall sein.
7
Kostentragungspflicht
Leidiges
Thema bei Abmahnungen ist die Frage der Übernahme der
Anwaltskosten. Nach gefestigter Rechtsprechung hat der Abmahnende
grundsätzlich Anspruch auf Erstattung seiner
Anwaltskosten, sofern die Abmahnung gerechtfertigt und die
Einschaltung eines Rechtsanwaltes erforderlich war. An der
Erforderlichkeit zur Einschaltung eines Anwaltes kann es bei
Serienabmahnungen und bei Routineabmahnungen fehlen.
Besteht der
Anspruch wird er entweder aus einem Schadensersatzanspruch des
Abmahnenden oder aber aus dem Rechtsinstitut der „Geschäftsführung
ohne Auftrag“ hergeleitet. Letzteres wird damit begründet,
dass der Abmahnende durch seinen Anwalt auch ein Geschäft im
Interesse des Abgemahnten führt, nämlich dessen
rechtswidriges Verhalten anzuzeigen und ihm die Möglichkeit zu
geben, es abzustellen.
Der Anwalt des
Abmahnenden kann für seine Tätigkeit eine zwischen 5/10 und
10/10 liegende Gebühr erheben. Üblich ist die so genannte
Mittelgebühr, also 7,5/10. Die Gebühr
selbst bestimmt sich nach dem vom Anwalt eingeschätzten
Streitwert, der erfahrungsgemäß zwischen 10.000,-- und
100.000 EUR variiert. Ein zu hoch angesetzter Streitwert ist
Ansatzpunkt, die Kostennote des abmahnenden Anwalts zu kürzen.
Gerade bei Serienabmahnungen wird der Streitwert zumeist schematisch
bestimmt. Individuelle Gesichtspunkte des möglicherweise
geringen Auffälligkeitsgrades des konkret gerügten
Verstoßes sind deshalb häufig nicht mit berücksichtigt
worden.
Zu der
Anwaltsgebühr hinzu kommt eine Auslagenpauschale in Höhe
von derzeit 20,-- EUR (§ 26 BRAGO)
und die Mehrwertsteuer gem. § 25 BRAGO, jedoch nur, soweit der
geltend gemachte Anspruch auf Geschäftsführung ohne Auftrag
gestützt wird.
Beispiel:
Bei einem angenommenen Streitwert von 25.000,-- EUR beträgt die
7,5/10 Gebühr des Anwaltes 514, 50 EUR + 20 EUR
Auslagenpauschale + 85,52 EURO MwSt = Gesamt: 620,02 EUR.
Soweit ein
Gerwerbe- oder Verbraucherschutzverband nach dem UKlaG abmahnt, kann
dieser regelmäßig keine Anwaltskosten, sondern nur
Aufwendungsersatz für seine eigene Tätigkeit geltend
machen.
Ist die Abmahnung
ungerechtfertigt, besteht selbstverständlich kein Anspruch des
Abmahnenden auf Kostenerstattung. Allerdings kann der Abgemahnte
seinerseits seine Anwaltskosten vom Abmahnenden nur dann erfolgreich
erstattet verlangen, wenn die ursprüngliche Abmahnung
rechtsmissbräuchlich war. Dies wird regelmäßig nur
dann angenommen, wenn die Abmahnung offensichtlich unbegründet
war.
8 Einstweilige Verfügung
Ergeht eine
einstweilige Verfügung, muss sich der Adressat entscheiden, ob
er gegen diese im Hauptsacheverfahren vorgeht oder sie akzeptiert.
Will der Adressat
die Verfügung akzeptieren, sollte er binnen 14 Tagen eine
Abschlusserklärung abgeben, mit welcher er diese als endgültig
und materiellrechtlich verbindliche Regelung anerkennt und
rechtsverbindlich auf das Recht zur Widerspruchseinlegung und zur
Hauptklageerzwingung nach § 926 ZPO
verzichtet. Damit kommt er einem kostenpflichtigen anwaltlichen
Abschlussschreiben des Verfügungsklägers mit gleichem
Inhalt zuvor.
9 Schluss
Solange die
Rechtsprechung in Deutschland in jeder Verletzung einer
verbraucherschützenden Norm zugleich den wettbewerbsrechtlichen
Verstoß sieht, sich vor Konkurrenten einen „Vorsprung
durch Rechtsbruch“ zu verschaffen, werden auch zukünftig
weitere Abmahnwellen über die Internet-Gemeinschaft
hereinbrechen.
Die
(missbräuchliche) Abmahnung von Konkurrenten ist Bestandteil
eines gewöhnlichen Verdrängungswettbewerbes geworden, der
mit allen (legalen) Mitteln geführt wird. Und Rechtsanwälte
beteiligen sich wie selbstverständlich an Serienabmahnungen oder
initiieren diese gar, weil sie gut daran verdienen. Auch der
„Abmahnverein“ ist ein deutsches Phänomen.
Dass es auch
anders gehen kann, zeigt sich in der restlichen EU: Dort haben
(missbräuchliche) Abmahnungen weit weniger Bedeutung, weil
insbesondere die (Anwalts-)Kosten für diese nicht ohne weiteres
geltend gemacht werden können. Es ist sehr vielmehr üblich,
den Verletzenden vorab über sein beanstandetes Verhalten mittels
einer juristischen Berechtigungsanfrage zu informieren und ihm die
Gelegenheit einzuräumen, das beanstandete Verhalten zu begründen
oder abzustellen.
Eine vorherige
Konsultation war auch in der Richtlinie 98/27/EG des europäischen
Parlaments und des Rates
vorgesehen, auf deren Grundlage der deutschen Gesetzgeber das
Unterlassungsklagegesetz verabschiedet hat.
In dem Gesetz
selbst wurde jedoch die Verpflichtung zur vorherigen Konsultation
bezeichnenderweise nicht mit aufgenommen.