Stand: online seit 08/06

KG Berlin entscheidet: Widerspruchsfrist für eBay-Käufe beträgt einen Monat
(KG Berlin Beschluss vom 18.07.2006, Az.: 5 W 156/06)1

In seinem Beschluss entschied das Kammergericht Berlin, dass das Widerrufsrecht im Fernabsatz bei Käufen auf Auktionsplattformen wie eBay regelmäßig nicht wie sonst üblich zwei Wochen, sondern einen Monat beträgt.

Zur dieser verlängerten Frist gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB2 kommt es, wenn zwei Umstände zusammen treffen. 1. Die Widerrufsbelehrung erfolgt nur auf der Angebotsseite, jedoch nicht in "Textform" z.B. in einer E-Mail. 2. Die Widerrufsbelehrung erfolgt erst nach Vertragsschluss.

Seit der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH)3 gilt das in § 355 BGB verankerte Widerrufsrecht für online bestellte Ware auch für bei Online-Auktionshäusern geschlossene Kaufverträge. Grund: Der BGH sieht in Online-Auktionen keine Auktionen im Rechtssinne, so dass diese wie gewöhnliche Kaufverträge zu bewerten sind (s.hierzu: http://www.ius-it.de/rechtsprechung/eBay_Widerrufsrecht_BGH.html ; http://www.ius-it.de/beitraege/2004-02-Internetauktionen.html).

Grundsätzliche Voraussetzung für das Bestehen eines Widerrufsrechtes - auch im Rahmen von Online-Auktionen - ist freilich, dass ein Verbraucher Ware bei einem gewerblich tätigen Händler (Indiz bei eBay: Powerseller; Anm. d. Verf.) ordert.

Hinsichtlich der Dauer der Frist für das Widerrufsrecht traf der BGH damals hingegen keine Aussage.

Diesbezüglich stellt das KG in einem wettbewerbsrechtlichen Streit zweier Schuhhändler nunmehr fest, dass für das Widerrufsrecht bei Online-Auktionen nicht die übliche zweiwöchige Frist gelte, sondern die einmonatige. Der Grund hierfür liegt in der Formulierung von § 355 BGB Abs. 2 Satz 1 BGB. Danach muss der Verbraucher über sein Recht in "Textform" belehrt werden. An der Textform fehle es jedoch nach Ansicht des KG Berlin, wenn die Widerrufsbelehrung lediglich auf der Internetseite (z.B. auf ebay im Rahmen der Angebotsseite; Anm. des Verf.) abrufbar ist.
Denn dies stelle keine dauerhafte Perpetuierung der Widerrufserklärung dar. Von "Textform" im Sinne von § 126b BGB könne laut Kammergericht deshalb nur dann gesprochen werden, wenn die Belehrung beispielsweise per E-Mail zeitgleich mit dem Vertragsabschluss an den Kunden übermittelt wurde. Falls bei Verträgen auf Auktionsplattformen aber keine E-Mail-Information erfolge, gelte die einmonatige Widerrufsfrist, weil dann die Widerrufsbelehrung in Textform erst nach Vertragsschluss erfolge.

Zudem laufen Gewerbetreibende bei Auktionsplattformen wie eBay bei der Verwendung der üblichen Belehrung "Sie können ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen widerrufen" Gefahr, eine kostenpflichtige Abmahnung zu kassieren. Denn das Kammergericht sieht bei Fehlen einer zeitgleichen Widerrufsbelehrung per E-Mail in der dann inhaltlich falschen Belehrung zugleich einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht: Der Händler verschaffe sich durch diesen Rechtsbruch gemäß §§ 3, 4 Nr. 11 UWG4 einen unlauteren Vorteil gegenüber rechtstreuen Mitbewerbern.

Anmerkung:
Das Urteil des KG Berlin dürfte zunächst sowohl Online-Händler als auch Verbraucher gleichermaßen verwundern und verunsichern. Nichtsdestoweniger hat das Gericht, § 355 i.V.m. § 126b BGB völlig korrekt angewandt. Wahrscheinlich hat der Gesetzgeber die Formulierungen der einschlägigen Paragraphen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten in das Gesetz eingefügt worden sind, nicht genügend synchronisiert.

Es bleibt also demnach spannend im Bereich des Online-Handels, zumal es wirklich fraglich ist, ob die "zeitgleiche" Widerrufsbelehrung per E-Mail tatsächlich als eine Belehrung vor Vertragsschluss angesehen werden kann. Bei eBay dürfte dies - jedenfalls im Rahmen der "Sofort-Kaufen-Option - nicht der Fall sein, denn nach den eBay-AGB5 kommt der Vertrag unmittelbar mit Anklicken des dafür vorgesehenen Buttons zustande. Die Folge ist, dass in der Regel bei solchen eBay-Angeboten die einmonatige Widerrufsfrist gelten dürfte.

Des Weiteren bleibt die Form und die Formulierung von Widerrufsbelehrungen im Allgemeinen eine echte Herausforderung. Denn soweit Shopbetreiber zur Belehrung über das Widerrufsrecht auf das amtliche Musterformular zurückgreifen, stehen sie nach einer Entscheidung des LG Halle6 nicht auf der rechtssicheren Seite. Nach Auffassung des Landgerichts ist das Muster, das das Bundesjustizministerium eigens entwickelt hat, rechtsunwirksam. Folge: Für Altverträge, die vor dem 8. Dezember 2004 abgewickelt wurden, könnte ggf. überhaupt keine Widerrufsfrist in Gang gesetzt worden sein und die Ware könnten auch heute noch zurückgegeben werden.

Tipps zur Umsetzung:

1. Für Online-Händler mit eigenem Shop:

  • Überprüfen Sie Ihre Verbraucherinformationen, insbesondere die Formulierung der Widerrufsbelehrung;

  • Belehren Sie Ihre Kunden vor Vertragsschluss über das ihnen zustehende Widerrufsrecht:
    Für Eigenshops: z.B. im Rahmen einer ersten "Bestellzugangsbestätigung", zu der Sie gemäß § 312e Abs. 1 Nr. 3 BGB ohnehin verpflichtet sind.

  • 2. Für eBay-Händler:

  • Überprüfen Sie Ihre Verbraucherinformationen, insbesondere die Formulierung der Widerrufsbelehrung;

  • Entweder Sie belehren Ihre Kunden zeitgleich mit Angebotsannahme per E-Mail über das ihnen zustehende Widerrufsrecht (rechtliches Risiko verbleibt, s.o.) oder

  • Sie passen Ihre Widerrufsbelehrung an und räumen dem Kunden ein einmonatiges Widerrufsrecht ein.

  • Jens Engelhardt, Rechtsanwalt und Partner bei Engelhardt + Braune Rechtsanwälte, Darmstadt7.


    1 http://www.haerting.de/downloads/pdfs/KG_5_W_156-06.pdf

    2 http://bundesrecht.juris.de/bgb/index.html

    3 http://www.bundesgerichtshof.de/

    4 http://bundesrecht.juris.de/uwg_2004/index.html

    5 http://pages.ebay.de/help/policies/user-agreement.html?ssPageName=f:f:DE

    6 http://www.internetrecht-rostock.de/lg-halle-1s-28-05.htm

    7 http://www.eb-recht.de