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Rechtsprechung:


Stand: online seit 08/06

LG Frankfurt urteilt: Im Kopierschutzrecht des Urherberrechtsgesetzes besteht eine analoge Lücke
(LG Frankfurt Az. 2-06 O 288/06)

In dem Urteil vom 31.05.2006 hat das Landgericht Frankfurt das Bestehen einer so genannten analoge Lücke (auch: analoges Loch) im Kopierschutz des Urheberrechtsgesetzes bestätigt. Danach begeht kein Verstoß gegen das Urheberrecht im Sinne von § 95a Abs. 1 UrhG, wer digitalisierte Werke, die mit einem Kopierschutz versehen sind, über den Umweg einer analogen Kopie vervielfältigt.

Im dem konkreten Fall machte die Antragstellerin, die Musikbörse Napster, einen Unterlassungsanspruch gegen den Vertrieb der Software "napster DirectCut" der Antragsgegner (Hersteller und Vertriebsunternehmen) geltend. Diese Software der Antragsgegner befreite die durch ein Digital-Rights-Management-System (DRMS) geschützten Dateien der Antragstellerin von den eingesetzten zeitlichen Restriktionen, indem es die analogen Signale an der Soundkarte auffing und diese wieder in digitale (Musik-)Dateien umwandelte. Dadurch wurde das DRM-System der Antragstellerin wirksam umgangen. Die Antragstellerin bietet ein Musikabonnement an, das gegen eine monatliche Nutzungsgebühr den Download von Musiktiteln ermöglicht. Die Nutzung der downgeloadeten Musikstücke ist jedoch aufgrund eines DRM-Systems nur möglich, so lange das Abonnement besteht. Neben dieser technischen Sicherungsmaßnahme sicherte die Antragstellerin die zeitlich auf die Dauer des Abonnement beschränkte Nutzung der downgeloadeten Musikstücke weiterhin durch ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen ab.

Das LG Frankfurt entschied, dass auch bei derartigen Softwareprogrammen kein Verstoß gegen das UrhG, insbesondere kein Verstoß gegen den umstrittenen § 95a UrhG vorliege. § 95a UrhG verbietet das Umgehen von "wirksamen technischen Maßnahmen" zum Kopierschutz. Das Gericht begründete sein Ergebnis damit, dass das von der Antragstellerin verwendete DRM-System keine wirksame technische Maßnahme darstelle, um analoge Kopien zu vermeiden. Ein solcher Kopierschutz sei letztlich auch nicht realisierbar, da das analoge Signal zumindest mit einem externen Gerät, etwa einem Mikrophon, aufgefangen werden kann. Für Geräte innerhalb eines PC müsse deshalb dasselbe gelten.

Gleichwohl wurden die Antragsgegner im konkreten Fall verurteilt, den Vertrieb der streitgegenständlichen Software wegen Verstoßes gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) einzustellen.
Nach Ansicht des Gerichtes stelle die Software der Antragsgegnerin eine gezielte Behinderung der Antragstellerin im Sinne von §§ 3, 4 Nr. 10, 8 UWG dar, da sie einen unberechtigten kostlosen Zugang zum Leistungsangebot von Napster auch nach Abonnementende biete. Die von den Antragsgegnern vertriebene Software hindere die Antragstellerin damit daran, ihre Flatrate-Leistungen auf dem Markt in angemessener Weise zur Geltung zu bringen, weil die Software der Antragsgegner darauf abzielt, die entgeltlichen Dienst der Antragsgegnerin kostenlos zu umgehen. Außerdem stellen die Werbeaussagen zu der angebotenen Software und der Vertrieb der Software eine Verleitung des Kunden zum Vertragsbruch dar und dieser sei im Regelfall ohne weiteres unlauter. Zumal die zeitliche Beschränkung der Musikdateien auf die Dauer des Abonnements seitens der Antragstellerin auch zulässig sei, weil das Urheberrechtsgesetz keinen generellen Anspruch auf die Erstellung einer Privatkopie einräume.

Anmerkung:
Das Urteil zeigt, dass der Gesetzgeber auf die Herausforderungen der digitalisierten Welt mit digitalisierten Werken bisher nicht adäquat reagieren konnte. Seine Versuche, Urheber von digitalisierten Werken vor ungestatteter Vervielfältigung, Verbreitung und Nutzung ihrer Werke zu schützen, sind im wesentlichen fehlgeschlagen. Weil dies so ist, sah sich das LG Frankfurt veranlasst, der Antragstellerin mit dem Wettbewerbsrecht mit Teils zutreffender und mit Teils unzutreffender Argumentation zur Seite zu springen:
Sicherlich mag man noch in der Werbung der Antragsgegner, in welcher sie potentiellen Kunden empfehlen, das kostenlose 7-Tage Abo der Antragstellerin abzuschließen, um sodann mittels ihrer Software sämtliche downgeloadeten Musikstücke (weiterhin) kostenlos zu hören, eine zielgerichtete Behinderung im wettbewerbsrechtlichen Sinne erblicken.
Jedoch überzeugt die weitere Argumentation des Gerichtes, die Software der Antragsgegner biete einen unberechtigten Zugang zu einer entgeltlichen angebotenen Leistung der Antragstellerin, kaum.
Denn der Kunde der Software hat gar keinen (und schon gar nicht unbegrenzten) Zugriff auf die angebotenen Musiktitel der Antragstellerin nach Abonnementsende, sondern lediglich Zugriff auf die zuvor downgeloadeten und sodann analog vervielfältigten und redigitalisierten Musiktitel.

Jens Engelhardt, Rechtsanwalt und Partner bei Engelhardt + Braune Rechtsanwälte, Darmstadt.