Stand: online seit 04/04
Domain schon vergeben
– Welche Möglichkeiten bestehen für das Unternehmen?
In
zwei Entscheidungen aus den Jahren 2001 und 2002 hat der
Bundesgerichtshof grundlegend zu den Ansprüchen Stellung
genommen, die ein Unternehmen gegenüber demjenigen hat, der den
Namen des Unternehmens als Domain-Namen im Internet verwendet. Damit
werden nicht nur Fälle des Domain-Grabbings (also des
missbräuchlichen Reservierens einer Domäne) erfasst,
sondern auch Fälle, in denen Gleichnamige aufeinander treffen.
Der
Entscheidung vom 22.11.2001 (Stichwort: Shell.de) lag der Fall eines
bekannten Unternehmens, dem Mineralölunternehmen Shell, und
einer gleichnamigen natürlichen Person zu Grunde. Der Beklagte
Andreas Shell hatte die Domain-Registrierung "Shell.de" von
dem Unternehmen ISB erworben, das gewerbsmäßig
Domain-Namen registrieren lässt, um die Benutzungsrechte und
zusätzliche Dienstleistungen dann interessierten Personen oder
Unternehmen anzubieten. Unter der Domäne betrieb Andreas Shell
dann seine Web-Seiten mit Werbung für sein Übersetzungs-
und Pressebüro. Die Web-Seiten waren in den Farben gelb und rot
gehalten.
Zuvor
hatte ISB die Registrierung auch dem deutschen
Shell-Tochterunternehmen angeboten, das jedoch ablehnte. In folgenden
dem Rechtsstreit machte die Shell-Tochter unter anderem Ansprüche
auf Übertragung der Top-Level-Domain "Shell.de"
geltend.
Bei
der zweiten Entscheidung, vom 11.4.2002 (Stichwort: Vossius.de) ging
es um einen bekannten älteren Anwalt, der es seinen Partnern
erlaubt hatte, nach seinem Ausscheiden aus der Kanzlei seinen Namen
weiterhin zu benutzen. Ursprünglich wollte er sich nach seinem
Ausscheiden zur Ruhe setzen. Er schloss sich dann jedoch der Kanzlei
seines Sohnes an. Der Sohn reservierte später die
Top-Level-Domains vossius.de und vossius.com und nahm sie in
Benutzung. Die ehemaligen Partner klagten daraufhin auf Unterlassung
und Schadensersatz.
Aus
den beiden Entscheidungen sind folgende teilweise grundlegenden
Rechtsgedanken entnehmbar:
Domain-Grabbing
ist sittenwidrig: Die Reservierung oder Benutzung eines Namens
in Form einer Domain, um diese einem Unternehmen mit entsprechendem
Namen anzubieten ist selbst dann sittenwidrig, wenn mit dem Angebot
weitere Dienstleistungen angeboten werden, etwa die Gestaltung von
Web-Seiten für das Unternehmen.
Kein
Anspruch auf Übertragung der Domain: Selbst wenn ein
Namens- oder Kennzeichnungsrecht dadurch verletzt wird, besteht kein
Anspruch auf Übertragung der Domain-Reservierung oder
Domain-Eintragung. Es kann lediglich der Verzicht des Verletzers auf
die Eintragung verlangt werden. Für die Praxis wichtig ist
daher, als geschädigtes Unternehmen möglichst frühzeitig
einen sogenannten Dispute-Eintrag vornehmen zu lassen, also eine Art
Vormerkung. Wird der Verzicht des Verletzers wirksam, kommt das
geschädigte Unternehmen zum Zuge und erhält die Domain.
Andernfalls könnte die Domain an einen Dritten fallen, der
ebenfalls Rechte an dem Namen hat.
Unterlassung
und Schadensersatz: Von einer Privatperson oder von einem
Unternehmen, die bzw. das keine eigenen Namensrechte hat, können
Unterlassung und Schadensersatz verlangt werden. Voraussetzung ist
allerdings ein bestehendes Namensrecht oder Kennzeichnungsrecht. Ein
solches Kennzeichnungsrecht kann insbesondere durch Anmeldung und
Eintragung einer Marke erlangt werden.
Markenrecht
geht vor: Das Markenrecht, mit dem nicht nur Rechte an
eingetragenen Marken, sondern allgemein Kennzeichnungsrechte im
geschäftlichen Bereich geregelt werden, geht in seinem
Anwendungsbereich anderen gesetzlichen Regelungen vor. Soweit also
der geschäftliche Gebrauch von Kennzeichen betroffen ist,
werden lediglich private Namensrechte außer Acht gelassen. So
kann eine Privatperson, die sich unter ihrem Namen geschäftlich
betätigen möchte, keine Prioritätsrechte aus ihrem
Namen herleiten. Andererseits kann es ihr auch nicht - jedenfalls
bei der erforderlichen Rücksichtnahme auf namensgleiche
Unternehmen - verwehrt werden, unter ihrem Namen geschäftlich
tätig zu werden. Wenn jedoch ein Domain-Name nur privat
gebraucht wird, kann der Gebrauch von einem Unternehmen nur in
seltenen Fällen verboten werden (ein solcher Ausnahmefall lag
der BGH-Entscheidung Shell.de zu Grunde, siehe unten). Bei privatem
Gebrauch ist an Stelle des Markenrechts das allgemeine Namensrecht
anzuwenden.
Beschränkte
Reichweite des markenrechtlichen Anspruchs und des Namensrechts
eines Unternehmens: Im geschäftlichen Bereich oder wenn der
Namensinhaber ein Unternehmen ist, werden Unterlassungs- und
Schadensersatzansprüche häufig nicht bestehen.
Voraussetzung ist nämlich, dass die Domain im selben
Funktionsbereich (Branche) verwendet wird oder eine geschäftliche
Beeinträchtigung zu befürchten ist.
Domain-Namen
sind einzigartig: Jedenfalls als gesamte Domain-Adresse
betrachtet, kann eine bestimmte Top-Level-Domain nur ein einziges
Mal vergeben und benutzt werden. Im Fall der Shell AG war daher die
Top-Level-Domain „Shell.de“ ein begehrtes Streitobjekt.
Letztendlich erhielt die Shell-Tochter die Domain zugesprochen, weil
ihr Name eine überragende Bekanntheit genießt und weil
die Rücksichtnahme unter Namensgleichen es gebietet, dass die
unbekannte Einzelperson (Andreas Shell) auf andere Alternativen
ausreicht, beispielsweise auf „Andreas-Shell.de“. Auf
diese Weise werden die Erwartungen einer sehr großen Anzahl
von Internet-Nutzern nicht enttäuscht, die in die Adresszeile
ihres Browsers „Shell.de“ eingeben, um auf die
Web-Seiten der Shell AG zu gelangen.
Fahrlässigkeit
einer Namensverletzung durch Gebrauch einer Domain: Wer sich mit
dem Gebrauch einer Domain in einem Grenzbereich des rechtlich
Zulässigen bewegt, handelt fahrlässig und muss daher mit
einer Verurteilung rechnen. Es sollte daher sorgfältig überlegt
und/oder recherchiert werden, ob durch den Gebrauch einer Domain
Namens- oder Kennzeichnungsrechte von anderen verletzt werden
könnten. Beispielsweise hatte Andreas Shell nicht nur die
Top-Level Domain Shell.de benutzt, sondern auch die Farben gelb und
rot der Shell AG. Zwar spielte dies in der Urteilsbegründung
keine Rolle. Es wird die Entscheidungsfindung jedoch sicher nicht zu
seinen Gunsten beeinflusst haben.
Erklärender
Hinweis kann ausreichen: Unter Namensgleichen kann es für
den Inhaber einer Domain ausreichen, darauf hinzuweisen, dass es
sich nicht um die Web-Seiten eines anderen handelt. In solchen
Fällen muss nicht auf die Domain verzichtet werden. Bei der
Entscheidung Vossius.de reichte der Hinweis aus. Unberührt
davon blieb der Schadensersatzanspruch der Gegenseite. Besondere
Sorgfalt beim Gebrauch von Namen (auch wenn es der eigene ist)
sollte daher immer angewendet werden. Rücksichtnahme ist stets
geboten.
Auch
der Name einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (also einer
Personengesellschaft ohne Handelsregistereintrag) kann ein im
geschäftlichen Verkehr durchsetzbares Recht darstellen.
Eine
auf unbegrenzte Zeit ausgesprochene Gestattung des Gebrauchs eines
Namens (hier wegen Ausscheiden in den Alters-Ruhestand) kann nicht
widerrufen oder gekündigt werden.
Gericht
kann Vorschläge machen: Bei einem von einer Seite
gestellten Antrag auf Unterlassung einer Handlung durch die
Gegenseite verhält sich das Gericht in der Regel passiv, wenn
es darum geht, der Gegenseite bei Auswegen zu helfen. Wenn der
Unterlassungsantrag aber zu abstrakt formuliert ist und eventuell
Handlungen umfasst, die noch erlaubt sind, kann das Gericht
Vorschläge machen. Bei „Vossius.de“ kam der
Vorschlag, nur den Hinweis auf die Existenz des Gleichnamigen auf
die Web-Seiten aufzunehmen, vom BGH.
Benutzung
einer E-Mail-Adresse kann in der Regel nicht untersagt werden, wenn
die Benutzung der Domain selbst erlaubt ist: Grund hierfür
ist, dass eine E-Mail-Adresse meist zusammen mit weiteren Angaben
(z. B. Personenname auf Visitenkarte) erscheint und somit nicht
selbstständig zu Verwechslungen führt.
BGH,
Urteil vom 22.11.2001 - I ZR 138/99 - Shell.de
BGH,
Urteil vom 11.04.2002 - I ZR 317/99 - Vossius.de
Dr.
Joachim Brunotte, Patentanwalt, www.patentberlin.com
7.2.2004
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